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,,Eine Diktatur wie beschrieben ist nur schwer auszuhalten" - Inge Schumacher
Die innerdeutsche Grenze im Alltag der Menschen

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Zeitzeugin Inge Schumacher

Die interviewte Person heißt Inge Schumacher. 

Bei dem Zusammenbruch der DDR 1989 war sie eine 40-jährige, geschiedene Mutter von zwei Töchtern, die Mädchen, die sie mehr oder weniger alleine großgezogen hat, waren zu dem Zeitpunkt 13 und 16 Jahre alt. Sie arbeitete während der DDR Vollzeit in der Warnowwerft in Warnemünde, dem größten Werftbetrieb zu Zeiten der DDR mit ca. 6000 Mitarbeitern. 

Alltag in der DDR 

Inge Schumacher spricht über ihr Leben in der DDR, das von Mangelwirtschaft, politischer Kontrolle und starken Einschränkungen geprägt war. Die Lebensmittelversorgung war begrenzt: „Soweit ich mich erinnere, gab es nur drei Sorten Brot und zwei Sorten Brötchen.“ Fleisch war oft nur über Beziehungen erhältlich, und exotische Früchte wie Bananen gab es nur selten – meist zu Weihnachten in schlechter Qualität. Auch Luxusprodukte wie Kaffee oder Schokolade waren Mangelware. Die Arbeitswelt war streng organisiert, Frauen arbeiteten meist Vollzeit, Teilzeitstellen gab es kaum. Ihre Karrierechancen wurden durch die Parteizugehörigkeit bestimmt: „Wenn man Karriere machen wollte, war die Parteienzugehörigkeit entscheidend.“ Ihre beste Freundin verlor eine große berufliche Chance, weil sie sich weigerte, für die Stasi zu arbeiten. Auch unsere Zeitzeugin selbst wurde zweimal zur Zusammenarbeit mit der Stasi angeworben, konnte sich aber herauswinden. Die Kontrolle durch die Partei war allgegenwärtig. Kultur und Medien waren zensiert, Reisen stark eingeschränkt. Bücher, die nicht systemkonform waren, konnte man „am besten über Beziehungen unterm Ladentisch“ bekommen.

Mutiger Parteiaustritt mit Folgen 

Ein außergewöhnlicher Moment in ihrem Leben war ihr Austritt aus der SED Anfang 1988 – ein Schritt, der in der DDR kaum möglich war. Sie entdeckte Fehlverhalten bei Parteifunktionären und nutzte dies, um mit moralischer Begründung ihren Austritt zu erzwingen. „Ich habe auf hochmoralisch getan. Die haben befürchtet, dass ich eine Riesenwelle schlage, und haben mich austreten lassen.“ Doch dieser Schritt hatte Konsequenzen: Wer die Partei verließ, war gesellschaftlich geächtet und hatte kaum noch berufliche Perspektiven. Sie musste sich durch Tricks eine neue Arbeitsstelle sichern – nicht ahnend, dass die DDR bald zerfallen würde. 

 

Der Zusammenbruch der DDR – Euphorie und neue Hoffnung 

Als 1989 die Mauer fiel, war sie „monatelang in größter Euphorie und mit großer Zuversicht unterwegs.“ Die lang ersehnte Freiheit war endlich da, und mit ihr die Möglichkeit, das eigene Leben selbstbestimmt zu gestalten. Doch heute beobachtet sie mit Sorge, dass demokratische Errungenschaften nicht selbstverständlich sind. Ihre Erfahrungen aus der DDR haben sie gelehrt, dass Freiheit verteidigt werden muss, da sie sonst schleichend in Gefahr geraten kann. 

 

Fazit – Leben früher und heute 

Der Alltag in der DDR war in vielen Bereichen beschränkt. Sei es die Knappheit an bestimmten Lebensmitteln und Waren oder aber die Beschränkungen in den Freiheits- und Persönlichkeitsrechten. Dies umfasst die Zensierung kritischer Meinungen und Gedanken. Doch trotz der Beschränkungen der DDR fanden die Menschen Wege, sich kleine Freiheiten zu bewahren und trotz schwieriger Umstände Fröhlichkeit und, Optimismus zu erhalten. Doch noch heute ist es wichtig einen kritischen Blick auf die Entwicklung der Demokratie zu haben. Inge Schumacher mahnt zur Wachsamkeit. Sie fasst ihre Erfahrungen mit den Worten zusammen: „Eine Diktatur, wie beschrieben, ist nur schwer auszuhalten, aber ich bin sicher, dass die Menschen auch immer die Kraft und das Vermögen besitzen, dem Leben trotzdem Fröhlichkeit und Optimismus abzugewinnen. Jedoch muss ich sagen, dass sich eine Schwächung der Demokratie beobachten lässt, das sehe ich mit großer Sorge." Damit drückt sie aus, dass Menschen selbst unter repressiven Bedingungen Wege finden, ihr Leben lebenswert zu gestalten – doch zugleich warnt sie davor, die Freiheit als selbstverständlich zu betrachten. Ihre Erfahrungen aus der DDR lehren sie, dass demokratische Werte aktiv geschützt werden müssen. Gerade in einer Zeit, in der weltweit autoritäre Tendenzen zunehmen, den öffentlichen Diskurs beeinflussen und demokratische Prinzipien infrage gestellt werden, sieht sie mit Sorge, dass Errungenschaften, die einst erkämpft wurden, schleichend verschwinden könnten. Ihr Appell ist daher aktuell wie nie: Demokratie erfordert Engagement und Aufmerksamkeit, damit sie nicht unbemerkt ins Wanken gerät. 

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Warnowwerft in Warnemünde zu DDR-Zeiten. ¹

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Warnowwerft in Warnemünde heute. ²

Quellen: 

 ¹ Wittenburg, Siegfried: „Erzähle draußen bloß nicht, worüber wir zu Hause sprechen“. URL: https://www.spiegel.de/fotostrecke/veb-warnowwerft-rostock-warnemuende-schiffe-fuer-stalin-fotostrecke-127181.html.

² Düffert, Thomas: „Weil Rostock Brandschutz nicht absichern will: Muss das Marinearsenal den Betrieb einstellen?“. URL: https://www.ostsee-zeitung.de/lokales/rostock/rostock-will-brandschutz-nicht-absichern-muss-das-marinearsenal-den-betrieb-einstellen-DLEUNGZE5JAETFFNVOOX4RV3GQ.html.

Transkript

Interviewpartnerin: Inge Schumacher (I) 

Datum: 25. Januar 2025 

Durchgeführt von: Malin Schumacher (M) 

[...] 

I: Beim Zusammenbruch der DDR 1989 war ich 40 Jahre alt, ich war zu dem Zeitpunkt geschieden, hatte zwei Töchter und war zudem voll berufstätig. Die beiden Mädchen waren da 13 und 16 Jahre alt und ich habe sie mehr oder weniger alleine großgezogen. Ich denke, dass meine Antworten zu den einzelnen Komplexen sind denke ich mal sehr subjektiv und es könnte natürlich sein, dass sich mal im Detail ein paar Erinnerungsfehler eingeschlichen haben. 

 

M: Wie wirkte sich die Grenze auf die Lebensmittelsituation aus und die Beschaffung dieser? 

 

I: Ich beziehe mich dabei jetzt auf die achtziger Jahre, weil mir das am besten in Erinnerung geblieben ist. Also Lebensmittel waren in den 80er Jahren mehr oder weniger auf Grundernährungsmittel in der DDR beschränkt. Also ohne eine größere Auswahl. Soweit ich mich erinnere, gab es nur drei Sorten Brot, und zwei Sorten Brötchen. Eine Brötchensorte hieß witzigerweise Knüppel, weil sie länglich geformt waren. Außerdem auch ein geringes Fleischsortiment, wenn überhaupt. Ich habe in der Warnowwerft Warnemünde gearbeitet, das war ein Großbetrieb mit 6000 Mitarbeitern. Und Großbetriebe wurden immer noch ein bisschen besser beliefert als kleinere Firmen. Man wollte die Leute in so einem Großbetrieb ein bei Laune halten. Ich hatte zum Beispiel das Glück, ich war in einer Liste erfasst, ich konnte einmal die Woche eine Fleischbestellung aufgeben und wenn ich Glück hatte, bekam ich das in der Woche auch geliefert. 

 

M: Wie sah es mit dem Obst- und Gemüseangeboten aus? 

 

I: Das Angebot war alles regional, saisonal, aber auch nicht ausreichend. Wenn man sagt, ich habe jetzt Lust darauf, war das durchaus nicht sicher, dass man es dann bekommt. [...] Apfelsinen, Bananen usw. gab es oft nur zu Weihnachten und dann waren das ganz Strohige aus Kuba. Eigentlich ganz schlimm, aber die Leute haben angestanden, um wenigstens ein bisschen was Besonderes zu bekommen. 

 

M: Was ist mit dem Angebot anderer Luxusartikel wie zum Beispiel Kaffee oder Schokolade? 

 

I: Bei den Kaffeesorten würde sagen, da gab es auch nur drei und die schmeckten auch nicht immer unbedingt doll nach Kaffee. Schokolade ebenso, weil die DDR sehr viel Geld oder Devisen ausgeben musste für Importe und keine Devisen hatte, also eine internationale Währung, mit der sie das kaufen konnte. Es gab zum Beispiel Süßtafeln, die sahen da ein bisschen bräunlich gefärbt aus und schmeckten süß. Wie ein Art Schokoladenersatz. 

 

M: Wie sahen das Familienleben und die Arbeitsgestaltung aus? 

 

I: Ich war immer berufstätig und als die Kinder dann nachher da waren, hieß das für mich, dass ich morgens um 6 Uhr mit beiden Mädchen in der Krippe sein musste, weil um 6.45 Uhr schon Arbeitsbeginn war und da war noch eine Zugfahrt dazwischen. Also um 6 Uhr die Kinder abgeben, das war schon hart. Feierabend war um 16 Uhr, also ein langer Tag. Auch schon mit kleinen Kindern und dann, ich glaube das war auch in den 80er Jahren, kam ein Gesetz raus, dass Frauen mit Kindern früher nach Hause gehen konnten, sprich jeden Tag eine Dreiviertelstunde früher. Und außerdem hatten die Frauen noch einen sogenannten Haushaltstag pro Monat, das eigentlich ganz gut, wenn man voll berufstätig war, da blieb viel liegen. Es gab auch nur ganz, ganz wenig Frauen, die verkürzt arbeiteten, Halbtagsarbeit, sowas gab es nicht. Das war nicht so, dass man sich das aussuchen konnte, das war einfach so, dass alle Frauen arbeiten mussten. 

 

M: Gab es so etwas wie Mutterschutz? 

 

I: Bei meiner ersten Tochter, die 1972 geboren wurde, war es ein Vierteljahr. Und als das zweite Kind geboren wurde, 1975, kam in dem Jahr ein Gesetz raus, dass man ein Jahr mit dem Baby zu Hause bleiben durfte. Und das war wunderschön. Für mich war das sehr gut. Ich glaube man bekam dann ein bisschen weniger Geld. Also die Entlohnung war so gering, dass es eigentlich auch nur für die Grundnahrung, aber es war schön, so lange Zeit mit dem Kind verbringen zu können. 

 

 M: Was war generell mit der Rolle der Frau, wie kann man sich das vorstellen? 

 

I: Ich würde sagen, dass Frauen häufig in typischen Frauenberufen tätig waren, das ist ja heute auch noch oft der Fall, und diese dann auch geringer bezahlt wurden. Also Gleichberechtigung wurde zwar immer groß hervorgehoben, aber das war auch mehr Propaganda. In Wirklichkeit haben die Frauen im Schnitt weniger verdient. Sie hatten den Haushalt, arbeiteten den vollen Tag und so weiter. Frauen brauchten aber keine Angst haben auf der Straße zu landen, sie hatten eine Art Grundversicherung. Die Frauen waren so nicht gezwungen bis ans Lebensende Situationen auszuhalten, in denen man sich nicht wohl fühlt. 

 

M: Wie sah es denn mit Bildung und Aufstiegschancen aus. 

 

I: Wenn man Karriere machen wollte, war die Parteienzugehörigkeit entscheidend. Du musstest in der Einheitspartei der SED sein, um überhaupt eine Chance zu haben. Die wollten nur ihre Leute in den Leitungspositionen haben. Meine beste Freundin hatte ein Außenhandelsstudium absolviert und sollte auf der Werft mit ausländischen Kunden zu tun haben, was für DDR-Verhältnisse wirklich ein spannender Job war. Aber kurz bevor sie in den Job einsteigen sollte, ist sie zur Stasi hochgebeten worden und die haben ihr gesagt, sie kriegt den Job nur, wenn sie für die Stasi unterschreibt. Sie hat den Job nicht gekriegt, weil sie abgelehnt hat. Der, der ihre Stelle bekommen hat, wusste man ja, dass er bei der Stasi war. Und ich habe auch auf der Werft gearbeitet, auch in einer Abteilung, die viel mit ausländischen Aufträgen zu tun hatte. Und folglich waren in unserer Abteilung 15 Mitarbeiter, von denen vier mit Sicherheit für die Stasi gearbeitet haben. Das muss man sich einmal vorstellen. Sie machten regelmäßig Meldungen bei der Stasi. Sie haben natürlich nicht gesagt, wir arbeiten für die Stasi, sondern man hat das einfach mitgekriegt. Die Leute sind ja nicht blöd. 

 

M: hast du selber Erfahrungen mit der Stasi gemacht? 

 

I: Man hat zweimal versucht mich anzuwerben, aber ich habe mich naiv gestellt und dumm. Ich habe ihnen erzählt, ich müsste erst meinen Mann fragen, ich weiß nicht, ob er das erlaubt. Und dann war ich raus. Die Stasi war mir so zuwider. [...] 

 

M: Gibt es noch mehr über Freizeit zu erzählen?

 

I: Also aus meiner Sicht gab es kaum kulturelle Angebote. Jeder kulturelle Bereich, jeder Freizeitbereich, es war auch alles immer irgendwie mit der Partei verbunden. Die Menschen haben sich im familiären Bereich oder im Freundeskreis aufgehalten. Reisen konnte man meist nur innerhalb der DDR in bestimmte Ferienorte. Bei uns in der Werft wurden Listen geführt, wer mal einen Ferienplatz gekriegt hat. Vielleicht alle zwei, drei Jahre. Man durfte auch erst mit Kindern ab drei Jahren verreisen. Die Menschen haben versucht, sich selber was zu organisieren. Wenn wir zum Beispiel Bekannte in Berlin hatten, haben wir versucht, ein paar Tage nach Berlin zu fahren. Eine ganz große Rolle haben Gärten gespielt. Auf der einen Seite war das ganz prima für Selbstversorgung und auf der anderen Seite auch in Bezug auf Geselligkeit. M: Bist du selber zu der Zeit ins Ausland gereist? I: Mit 18 hatte Brieffreundin in Ungarn und habe die besucht. In Tschechien war ich auch bei einer anderen Freundin. Das waren heimliche Treffen in Tschechien. Wenn das rauskam, konnte es auch sein, dass man seinen Job verliert oder irgendwas anderes passiert. 

 

M: Wie konnte man sich noch die Freizeit gestalten? 

 

I: Eigentlich nur noch TV, Radio, Kino, Bücher, Zeitung oder so. Aber das war auch alles zensiert. Wenn man ein bestimmtes Buch haben wollte, dann am besten auch über Beziehungen unterm Ladentisch. Das war eigentlich traurig. 

 

M: Auf welchem Stand war die Bildung? 

 

I: Ich würde sagen, dass die Bildung in der DDR, [...] recht gut war. Doch je mehr Zeit verging, umso mehr wurde da auch die Partei involviert. Es gab das Fach „Marxismus-Leninismus", wO du dich mit irgendwelchen Parteiparolen auseinandersetzen musstest. [...] Das war wirklich sehr, sehr lästig und unangenehm. Wenn man Studienplatz haben wollte, dann brauchte man sehr gute Noten. Aus meinem Jahrgang haben nur fünf Schüler das Abitur machen können. Ich mit meinem Leistungsdurchschnitt von 2,0 und manchmal auch ein bisschen besser, hatte überhaupt keine Chance. [...] Am besten waren die Eltern irgendwie Parteifunktionäre, dann brauchten die Schüler vielleicht nicht ganz so gute Noten, um ein Abitur zu machen oder ein Studienplatz zu kriegen. 

 

M: Hast du dich in deiner Freiheit eingeschränkt gefühlt? 

 

I: in meiner Freiheit habe ich mich aufgrund dieser ganzen Maßregelung sehr eingeschränkt gefühlt. Vor allem, was das Thema Reisen, Bücher, Filme usw. anging. Ich fühlte mich eigentlich immer aufs Schlimmste bevormundet. Das konnte ich nicht verstehen, nicht begreifen. ich hätte mir wirklich gerne selber ein Bild über die Welt gemacht. [...] 

 

M: Hast du darüber nachgedacht zu fliehen? 

 

I: ich habe sogar oft und öfter darüber nachgedacht, aber da waren ja die Kinder. Die wären gefährdet gewesen, das konnte ich einfach nicht riskieren. 

 

M: Kennst du persönlichen Menschen, die versucht haben zu fliehen? 

 

I: Ich habe zwei Freundinnen, die haben einen Ausreiseantrag zu DDR-Zeiten gestellt und sind ausgereist und beide haben Repressalien durch die Stasi mehr oder weniger angstvoll erlebt. Das war nicht lustig, was da passiert ist. 

 

M: Welche Anschauung wurde von der DDR in Bezug auf die BRD vermittelt? 

 

I: Die BRD war der Klassenfeind schlechthin. Dieses Bild wurde in allen Medien, Erziehung und im Militär vermittelt. Man konnte sich dem eigentlich nur schlecht entziehen, weil man in allen Bereichen damit konfrontiert wurde. Nicht nur BRD, sondern der Kapitalismus, die kapitalistischen Feinde. Mit 17 wurde ich als Kandidaten in die SED genötigt. Du wirst als Kandidatin aufgenommen und mit 18 darfst du dann sofort gleich Mitglied werden. Die haben es als Auszeichnung verkauft. I...J Ich habe gesagt, ich bin zu jung, ich will noch ein bisschen warten, so viel Verstand hatte ich schon. Aber die haben mich so in die Zange genommen, dass ich nicht wusste, wie ich mich wehren sollte. Wenn du dann in der Partei warst, gab es kein Rauskommen mehr, niemals. Höchstens, wenn die Partei dich ausgeschlossen hat. Das gab es eigentlich nur, wenn du straffällig geworden bist. Dann haben sie gesagt, du hast geklaut, gestohlen, gemordet, du bist für die Partei nicht tragbar. 

 

M: Wie wurde die Parteiarbeit im Alltag eingebunden? 

 

I: Die Werft, die war hart, was Parteiarbeit anging. Wir hatten drei Parteiveranstaltungen jeden Monat. Jede hat ungefähr eine bis zwei Stunden gedauert. Oder Parteiversammlungen auf Direktorats Ebene oder eine Parteigruppenversammlung, da ging es ein bisschen lockerer zu, weil es immer nur eine Abteilung gab. In Großbetrieben eine sogenannte Zivilverteidigung. Da wurde das ganz normale Personal in Gruppen zusammengefasst und einer halb militärischen Ausbildung unterzogen. Das heißt, du musstest Gasmasken aufsetzen können, du solltest marschieren lernen, was zu so einer militärischen Ausbildung gehört. Ich hatte keinen Bock darauf. [...] 

 

M: Du bist ja irgendwann ausgetreten, wie ist dir das gelungen? 

 

I: Anfang 1988 habe ich eine Schwachstelle bei meinen Parteioberen entdeckt. Die hatten sich schlecht benommen. Da habe ich gesagt, mit solchen kann ich nicht mehr zusammenarbeiten, ich muss aus der Partei austreten. Ich habe auf hochmoralisch getan. Die haben befürchtet, dass ich eine Riesenwelle schlage und haben mich einfach aus der Partei austreten lassen. Dann habe ich nochmal einen kleinen Trick angewandt und habe es dadurch geschafft, einen Job zu kriegen. Wenn du aus der Partei ausgetreten bist, dann warst du wie gezeichnet und hast eigentlich keinen Job mehr gekriegt. Zu dem Zeitpunkt hat ja keiner gewusst, dass es ein Jahr später keine DDR mehr geben würde. [...] Als die DDR endlich zusammengebrochen war, da war ich wirklich monatelang in größter Euphorie und mit großer Zuversicht unterwegs. 

 

M: Gibt es Dinge oder Gewohnheiten, die du heute noch mit der Zeit in der DDR verbindest. 

 

I: Vielleicht ein bisschen das disziplinierte Verhalten, weißt du, 8 Uhr ist 8 Uhr, dass sich der Drill in solchen Sachen niederschlägt. Und dass ich politische oder geschichtliche Prozesse sehr genau beobachte und mir eine eigene Meinung zu bilden. 

 

M: Was ist das Fazit was du ziehst? 

 

I: Eine Diktatur, wie beschrieben, ist nur schwer auszuhalten, aber ich bin sicher, dass die Menschen auch immer die Kraft und das Vermögen besitzen, dem Leben trotzdem Fröhlichkeit und Optimismus abzugewinnen. Jedoch muss ich sagen, dass sich eine Schwächung der Demokratie beobachten lässt, das sehe ich mit großer Sorge.

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