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,,Es war nicht alles schlecht,ne” - Edda Niebuhr
Eine Rückkehr in die DDR ... nach der Flucht

Nachdem Deutschland den Zweiten Weltkrieg verloren hatte und es zu den Kriegsverhand-lungen gekommen war, wurde Deutschland in zwei Teile aufgeteilt: in die Bundesrepublik Deutschland (kurz BRD), welche ein Zusammenschluss aus der britischen, amerikanischen und französischen Besatzungszone war, und in die Deutsche Demokratische Republik (kurz DDR), welche aus der Besatzungszone der Sowjetunion hervorging. Besonders an der DDR hat uns die Zufriedenheit der DDR-Bürger und die Freizeitgestaltung interessiert. Um mehr über diese Themenbereiche zu erfahren, hatten wir uns eine Zeitzeugin gesucht, die uns bei der Beantwortung von folgender Leitfrage helfen kann: Waren wirklich alle Menschen in der DDR unzufrieden? Unsere Zeitzeugin hat den Zeitraum vom Beginn der DDR und der Wiedervereinigung miterlebt und konnte uns in einem telefonischen Interview zu Fragen bezüglich der DDR Antworten geben. Die Fragen haben sich größtenteils auf Themenbereiche wie Flucht, Freizeit und Familie bezogen. Dazu hatten wir interessante Erkenntnisse erhalten. Denn unsere Zeitzeugin floh damals im Jahr 1958 aus der DDR, um wieder mit ihrem damaligen Freund zusammen sein zu können, und war im Januar 1959 mit ihrem Freund zusammen wieder zurück in die DDR gereist. Familientrennung durch die Errichtung der Deutschen Mauer gab es ebenfalls. Denn der Großteil der Familie und Verwandtschaft hatte damals in Lübeck gelebt. Dennoch durfte unsere Zeitzeugin mit ihrer Mutter zusammen einmal im Jahr die Verwandtschaft in Lübeck besuchen, da sie eine Genehmigung hatte. Insgesamt schien unsere Zeitzeugin ein (eher) positives Bild von der DDR haben. Sie wusste allerdings auch über die negativen Seiten der DDR Bescheid, die nicht konkret erwähnt wurden, bereut ihre Zeit in der DDR aber nicht. Aus diesem Interview schließen wir, dass die DDR nicht nur schlechte Seiten hatte. Zum Beispiel waren Lebensmittel nicht teuer und so konnten DDR- Bürger trotz geringem Gehalt ein gutes Leben führen. Außerdem ist durch das Interview nochmal deutlich geworden, dass, solange man sich nicht kritisch gegenüber der Regierung äußerte, man ein normales Leben in der DDR führen konnte, auch wenn man kaum Mitspracherecht in der Politik hatte, da die Wahlen alle manipuliert waren und die SED immer gewonnen hat ¹, egal wie viele Stimmen sie bekam. Auch interessant war, dass der Mauerfall und somit die Wiedervereinigung zu Kontaktabbrüchen geführt hatte. Abschließend lässt sich sagen, dass nicht alle Menschen in der DDR unzufrieden waren. Trotz geringem Mitspracherecht in der Politik und etwaigen Zensurmaßnahmen gab es auch positive Aspekte in der DDR, wie zum Beispiel geringe Kosten von Lebensmitteln. Dadurch wurde trotz geringem Lohn ein gutes Leben in der DDR ermöglicht. Dies ist wahrscheinlich auch der Hauptgrund, warum unsere Zeitzeugin und andere Menschen, die in der DDR gelebt hatten, ihre Zeit in der DDR als eher positiv wahrnahmen.

¹ Mieves, Kirsten (Leitung Online-Redaktion), Freie Wahlen, in Demokratie statt Diktatur, url: https://www.demokratie-statt-diktatur.de/stasi-und-die-menschenrechte/freie-wahlen (Zugriff: 12.02.2025)


Transkript



I: Was hast du in deiner Freizeit in der DDR gemacht?

B: In meiner Freizeit? Ja, du das ist ‘ne schwierige Sache. Ich war immer berufstätig und […] Als ich noch nicht verheiratet war in der DDR, da hab‘ ich in meiner Freizeit Klavier- und Gesangunterricht gehabt. Und nachher später aber […] Ich war den ganzen Tag berufstätig und dann nachher mit vier Kindern, da bleibt für Freizeit nicht viel übrig. Es sei denn, am Wochenende, da sind wir immer unterwegs gewesen auf [Reisen?] : an die Ostsee, in den Harz und dann sind wir viel weggefahren dann auch. Ich bin in meiner Freizeit auch viel in Konzerte gegangen damals noch; Konzerte oder in die Oper. So alles so mit ein bisschen Kultur […] Museum. Das haben wir alles in der Freizeit gemacht.

I: Dann kommt die nächste Frage. Hattest du Fluchtgedanken beziehungsweise kanntest du jemanden, der solche Gedanken hatte?

B: Ob ich Fluchtgedanken hatte?

I: Ja

B: Ja, die hatte ich und ich hab’s auch getan. [lacht leicht] Ich war republikflüchtig. Ich bin 1958, bin ich über Westberlin in die BRD geflohen und bin aber im Januar 1959 schon wieder zurückgekommen, weil, ich hab‘ mir damals deinen Urgroßvater aus dem Westen zurückgeholt. Also Opa Eckert. Also mein Ex-Mann. Der war vor mir in Westen gegangen und ich bin dann hinterher und wir sind aber beide wieder zusammen dann im Januar 1959 zurückgekommen.

I: Gab es noch einen anderen bekannten Fluchtversuch in deinem Umfeld?

B: Ne, aus meinem Umfeld kenn‘ ich weiter keinen. Da war ich […] da waren wir die Einzigen, die das gemacht haben.

I: Und da hab‘ ich gleich noch was zur Grenze. Hattest du Kontakt zu Verwandten oder Bekannten aufgrund der Grenze verloren? Es kann sowohl physisch sein, weil die Grenze halt getrennt hat, als auch psychisch.

B: Wozu sollte ich die haben? […] Ob ich Bekannte im Westen hatte, oder?

I: Ja, oder ob der Kontakt durch diese Grenze so ein bisschen verloren gegangen ist.

B: Ja, du meine ganze Verwandtschaft wohnte ja im Westen. Von meiner Mutter her, die ganze Verwandtschaft, die wohnten alle in Lübeck. Ihre Schwester, ihre Cousinen […] und da hatten wir natürlich Kontakt zu denen.

I: Ah, okay. Und der Kontakt ist also nicht abgebrochen, nur weil die Grenze da war?

B: Nein, der es geblieben. Weil die schon immer da schon immer gewohnt hatten. Schon bevor die Grenze kam. Und wir durften auch, meine Mutter und ich, wir durften einmal im Jahr kriechte eine Genehmigung und durften einmal im Jahr die Verwandten in Lübeck besuchen. Das war möglich. Da wir noch Kind, ne, und das durften wir aber. Das ging. Es ging doch war in der DDR [lacht leicht] […] Es war nicht alles so schlimm.

I: Genau, weißt du, ob es noch Unterschiede gab, also zwischen den Hobbies zwischen DDR und BRD.

B: Hobby?

I: Ja, ob die Hobbies sich in der BRD und der DDR unterschieden haben? Also, ob es da andere Hobbies gab. Ob man das gemerkt hat.

B: Das hat sich alles bei mir erledigt in der BRD. Alles, was ich in der DDR gemacht hab‘ und machen konnte, das ist hier alles weggefallen. Das mach‘ ich nicht mehr. Das hängt auch damit zusammen, dass man in der DDR, Kili, konnten wir uns das alles leisten. Da konnte man ins Theater gehen, da konnte man ins Museum gehen. Das hat alles so gut wie Nichts gekostet. Heute steht die Frage: Kann ich mir das leisten? Und die meisten können es nicht. Weil das alles so wahnsinnig teuer geworden ist auch. Also da hat sich für viele, auch mich, viel verändert. So mal in die Oper gehen oder ins Konzert gehen oder so, das hat sich alles erledigt dadurch ne. [leicht lachend] Es war Einiges in der DDR auch gut du.

I: Die Familientrennung waren ja alle nicht freiwillig quasi gezwungen, so wie ich das jetzt verstanden hab‘? Also durch die Grenze.

B: [leicht verwirrt; Frage nicht verstanden] Bitte?

I: Gab es auch so Familientrennungen, die freiwillig waren, durch die Grenze oder war
das alles gezwungen, da die Grenze nun da war? Weißt du das?

B: Also durch den Grenzwegfall nachher sind die ganzen Kontakte abgerissen. Das hat sich alles irgendwie erledigt. Kein Mensch weiß warum, aber irgendwie […] da waren denn nachher auch keine. Zum Teil sind die auch alle weggestorben die Verwandten, weil die nun auch schon älter waren und deshalb hab‘ ich da auch noch kaum Kontakte gegeben. Einmal zu meiner Cousine, die auch in Lübeck gewohnt hat, die auch schon verstorben ist und ansonsten aber nicht. Also da hat es keine Kontakte mehr gegeben.

I: Noch eine Frage zu deiner Flucht. Warum war die Flucht quasi für dich attraktiv? War das wegen der Verwandtschaft, oder […]

B: Ne. Das war einfach […] Ich wollte meinem Freund damals hinterher und ja, es hat sich angeboten. Ich hatte damals, so würde man heute sagen Fluchthelfer [lacht leicht], ich hatte damals jemand, die mir geholfen hat, von Berlin nach Westberlin zu kommen. Da waren die Grenzen ja noch auf. Da konnte man ja mit der S-Bahn von Ostberlin nach Westberlin. Und die hat mich von Ostberlin nach Westberlin geleitet. Mit der S-Bahn, die hat mich rübergebracht. Ne, du Kili guck‘ mal. Ich war damals 18 Jahre alt. Und da hat man viel versucht und unternommen […] und ja mein Freund war wech, der war abgehauen und da hab‘ ich gesagt, da fahr‘ ich hinterher. Da komm‘ ich nach. Und hab‘ auch da gearbeitet. Hab‘ in einer Konditorei gearbeitet, […] als Verkäuferin und die Frau vom Konditor, die war damals hochschwanger und der hab‘ ich vormittags im Haushalt geholfen und nachmittags war ich denn im Geschäft und hab‘ Torte verkauft. [lacht leicht] Ja, ich hab‘ so Einiges erlebt. [etwas ernst; reflektierend] Aber es hat mir nicht geschadet. Ich hab‘ viele Menschen kennengelernt, hab‘ viele Eindrücke gesammelt und […] man lernt bei solchen Sachen ja auch, ne. Auch Dinge, die nicht so gut sind, wo man sagt, ne, das lassen wir lieber. Aber alles im Allem war alles sehr positiv, ne. Und ich bereu‘ das auch nicht, das ich diese 40 Jahre in der DDR gelebt hab‘. Ne, das gehört zu meinem Leben dazu, das ist meine Geschichte und ich lass‘ mir auch von Anderen [ernst] erklären, wie die DDR war. Denn ich hab‘ sie ja nun selber gelebt. [ernst; leicht empört?] Und wenn sich da Einige hinstellen und meinen, sie müssten mir das Erklären, ne also, dann wird‘ ich wütend. Das kann ich gar nicht haben. [lacht leicht] Also, wenn jemand was wissen will, dann soll er sich an mich wenden. Ich werd‘ Ihnen das erklären. Es war nicht alles schlecht, ne.

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