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Abschnittstitel

,,Ich war wirklich für die DDR. (...) Das war mein Staat” - Rainer Polzer & Volker S.
DDR vs. BRD - Zwei Welten in einem Land

Einleitung


Als Konsequenz des zweiten Weltkrieg wurde  Deutschland in Ost- und Westdeutschland geteilt.  Auf  einer  Strecke  von  1.378  Kilometern  teilte  die  innerdeutsche  Grenze  die Bevölkerung  über  40  Jahre  lang.  Der  Kalte  Krieg  stellte  eine  Bislang  unbekannte Konfrontation zwischen den Ost- und Westmächten dar. Dabei spielte Deutschland eine wichtige  Rolle.  Wir  wollten  wissen,  wie  sich  diese  Situation  und  die  verschiedenen Ideologien  auf Deutschland  auswirkten.  Wie  unterschied  sich  das  alltägliche  Leben  der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland? 

 


Die Zeitzeugen


Um  eine Antwort  auf  diese  Frage  zu  bekommen  haben  wir  zwei  Zeitzeugen  interviewt. Beide  wurden  zu  vergleichbaren  Themenbereichen befragt,  um  die  unterschiedlichen Perspektiven  und  Lebensrealitäten  der  Menschen  in  den  geteilten  deutschen  Staaten 
ermitteln zu können. Rainer  Polzer  wurde  1954  in  Leipzig  geboren.  Von  1973  bis  1977  diente  er  bei  den Grenztruppen der DDR. Anschließend studierte er Journalismus an der Universität Leipzig, war  Mitglied  der  Sozialistischen  Einheitspartei  Deutschlands  (SED)  und arbeitete  als Rundfunkjournalist am Schweriner Sender. Nach 1990 wurde er vom NDR übernommen und ist jetzt Rentner. Früher war er jemand, der sich mit der DDR identifiziert hat. Heute hat er einen kritisch-reflektierten Blick auf die DDR. Volker S. ist 1968 in Lübeck geboren. 1984 bis 1992 war Volker im Einzelhandel tätig. Von 1992 bis 1996 leistete er seinen Wehrdienst bei der Bundeswehr. Nach seinem Dienst als 
Kommandant im Spähpanzer 2 (SpPz 2) Luchs wechselte er in den Polizeidienst, welchen er bis heute ausführt. Laut eigener Aussage hat er die DDR, zur Zeit der innerdeutschen Grenze, nie als ein Teil von Deutschland wahrgenommen. 

 


Alltag und Lebensgefühl


Rainer  Polzer  schildert  einen  streng  strukturierten  Alltag  innerhalb  der  DDR.  Staatliche Vorgaben und die Planwirtschaft diktieren ein Teil des Lebens. Alles war strukturiert aber meistens schlecht umsetzbar. Berichte über eine Mangelwirtschaft verdeutlichen, dass der Alltag der DDR oft von Einschränkungen begleitet war. Polzer schildert aber auch positive Aspekte.  Der  Zusammenhalt  innerhalb  der  Gemeinde  und  familiäre Unterstützungsstrukturen  waren  ein  großer  Bestandteil  im  Alltag.  Gleichzeitig  wurden diese  Konzepte  im  sozialistischen  System

ideologisch  propagiert.  Die  Familie  galt  als Keimzelle  des  Sozialismus.  Im  Gegensatz  dazu  berichtet  Volker  über  individuelle 
Freiheiten innerhalb der BRD. 

Der Alltag  wurde  durch  eine  marktwirtschaftliche  Überflussgesellschaft  geprägt.  So  war auch  die  Meinungsfreiheit  innerhalb  der  BRD selbstverständlich,  auch  wenn  man  eine andere Meinung als der Staat vertritt. Volkers Erlebnis nach dem Mauerfall mit Bananen über die Grenze zu fahren, um diese den Mitbürgern der ehemaligen DDR zu überreichen, ist  ein  Symbol  für  die  freie  Lebensweise  des  Westens  und der Abgeschlossenheit  des Ostens. 

 


Grenzerfahrung und Wahrnehmung der Grenze

 
Die  Grenze  spielt  in  beiden  Berichten  eine  Rolle.  Während  Polzer  aus  Sicht  eines Grenztruppensoldaten über seine Aufgabe mit Stolz und Pflicht berichtet, betont er auch, dass  die  Grenze  als  Reaktion  auf  den  Kalten  Krieg  verstanden  wurde.  Die Abschottung  als  auch  die allgegenwärtige  Propaganda,  wie  zum  Beispiel  die  Fernsehserie  „Der Schwarze Kanal“, rückte die BRD in ein negatives Licht. Volker erzählt, dass er die Grenze primär als eine Art Barriere wahrgenommen hat, welche den  Kontakt  zu  den  Menschen  im  Osten  sehr  erschwerte.  Beide berichten  über  eine Trennung Deutschlands physisch so wie ideologisch. Die Öffnung der Grenze am 9. November 1989 hob diese Teilung schließlich auf. 

 


Beruf, Karriere und Versorgung


Auch im Arbeitsalltag zeigt sich ein deutlicher Kontrast. Polzer berichtet über eine staatlich gesteuerte  Karriere,  in  der  die  SED  über  die beruflichen  Perspektiven  entschied.  Volker hebt hervor, dass in der BRD jeder „sein eigenes Glückes Schmied“1  war. Die BRD hatte mehr Möglichkeiten  für  individuelle  Entfaltung,  während  die  DDR  Karrieremöglichkeiten und Gehaltsstrukturen einschränkte. 

 


Meinungsfreiheit, Medien und Kontrolle


Ein  großer  Punkt  innerhalb  beider  Interviews  war  die  Meinungsfreiheit  und  staatliche Überwachung. Polzer erklärt, dass eine abweichende Meinung gefährlich war. Selber hatte er es öfters mit dem Ministerium für Staatssicherheit (Stasi) zu tun. Überwiegend aufgrund seines  Berufs  als Journalist.  Zensur  und  Überwachung  seitens  der  Stasi  prägten  den Alltag.  Volker  berichtet  von  dem  Gegenteil.  In  der  BRD  herrschte eine objektive Berichterstattung und Bürger hatten eine freie Meinung. 
 

Reflexion und historischer Kontext


Beide  Zeitzeugen  berichten  über  ähnliche  Erfahrungen  und  Reaktionen  zum  Mauerfall. Polzer identifizierte sich in der Zeit immer noch mit dem Sozialismus, erkannte aber, dass es  auch  positive  Aspekte  im  Westen  gab.  Es  gab  eine  Erweiterung  von  Freiheiten  für beide,  wenn auch  von  unterschiedlicher  Bedeutung.  Der  Solidaritätszuschlag  bewirkte erstmal eine starke wirtschaftliche Belastung, doch diese ließ mit der Zeit wieder nach. 

Schlüsse und historische Einordnung  
Es hat sich sehr schnell gezeigt, dass die deutsche Teilung nicht nur geographischer Natur war. Es gab tiefgründige gesellschaftliche, wirtschaftliche und ideologische Unterschiede. Die  DDR  wurde  durch  staatliche  Kontrolle,  Zensur  und  eine  Planwirtschaft 
gekennzeichnet.  Individuelle  Freiheit,  marktwirtschaftlicher  Wohlstand  und  eine  freie Meinung  waren  in  der  BRD  ausgeprägter.  Man  darf aber  nicht  vergessen,  dass  der historische Kontext des Zweiten Weltkriegs und noch wichtiger, des Kalten Krieges, sich in der  physischen  und ideologischen  Besinnung  klar  manifestierte  und  so  große Auswirkungen auf beide Systeme hatte. Darüber hinaus sind sich beide Zeitzeugen einig, dass diese Ära und ihre Wirkung bis heute, trotz Wiedervereinigung, spürbar ist. Wichtig ist auch zu sagen, dass das erzählte hier subjektiv ist. Eine Wahrnehmung eines Bürgers und  dessen  politische  Einstellung  ist  schwierig,  als  objektiv  festzuhalten,  da  jeder  eine andere Wahrnehmung  hat  und  noch  viele  andere  Aspekte  in  diese  Wahrnehmung  mit einspielen. Trotzdem sollen diese Interviews nicht nur persönliche Erinnerungen, sondern auch ein differenziertes Bild über der Deutschen Teilung und ihrer Folgen beschreiben und dessen Komplexität unterstreichen. Abschließend kann man sagen, dass dieses Ereignis der  deutschen  Geschichte  ein  wichtiges  Zeugnis  geliefert  hat,  das  auch heute  noch lehrreich ist. 

1 Domenik Schwarz: BRD interview, https://youtu.be/K0v6UinTb_s?si=SVMyjSy1Qic6ZdI9 (24.01.2025).

Transkripte

Interview mit Rainer Polzer, 21.01.2025

Interview mit Rainer Polzer Teil 1
Interview mit Rainer Polzer Teil 3
Interview mit Rainer Polzer Teil 2
Interview mit Rainer Polzer Teil 4
Interview mit Rainer Polzer Teil 5

Interview mit Volker S., 24.01.2025

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